Fotografin: Stephanie Braun
Hallo Franziska und Ann Cathrin, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für ein Interview mit uns nimmst! Bitte stellt uns zu Beginn kurz vor:
Franziska ist Textilingenieurin und passionierte Vertreterin für nachhaltige Lösungen bei der Wahl von textilen Stoffen. Während ihres Praktikums bei Stoll (einem deutschen Strickmaschinen-Hersteller) in New York lernte sie ebenfalls wie ausschlaggebend die Auswahl des richtigen Garns ist. Sie schreibt regelmäßig Fachartikel über textile Rohstoffe für die Fashion Changers und Brigitte be green. Bei der Fashion Week im Januar 2020 saß sie bereits mit anderen großen Garn-Herstellern als Speakerin auf einer Podiumsdiskussion. Ann Cathrin hat schon an vielen Stellen der textilen Kette gearbeitet. Angefangen beim Handwerk, einem Modisten, über die Moderedaktion beim ersten deutschen Modeblog “LesMads”, bis hin zur CSR-Beratung inkl. Aufenthalten bei Produktionsstätten. Während ihres Zweitstudiums in Mode- und Strickdesign lernte sie schnell, was der ausschlaggebende Punkt für Designer ist, um nachhaltig arbeiten zu können: der Zugang zu einer nachhaltigen Materialauswahl ohne Kompromisse bei Ästhetik oder Qualität. Als sie auf den Rohstoff Chiengora stieß, beschloss sie “Eco vor Ego” zu ihrem Motto zu machen und Chiengora nicht selbst für ein Label zu verwenden, sondern einen größeren ökologischen Einfluss mit der Zugänglichkeit zum Markt zu ermöglichen – so dass alle mit dem Material arbeiten können.
Zusammen entwickeln die beiden für ihr gemeinsames Unternehmen YarnSustain ein Produkt, welches das bestehende System am Anfang der textilen Rohstoff-Lieferkette auf den Kopf stellt. Sie crowdsourcen hochwertige Wolle, welche andernfalls im Müll landen würde: Chiengora. Der Fachbegriff für Hundewolle. Aus diesem Rohmaterial produzieren sie hochwertiges Garn, welches bereits von internationalen Modeunternehmen angefragt wird.
Fotografin: Stephanie Braun
Welches Problem wollt Ihr mit Modus Intarsia lösen ?
Um die Welt auch für zukünftige Generationen in einer lebenswerten Form zu erhalten, müssen wir unsere derzeitige Lebens- und Wirtschaftsweise neu denken und nachhaltig verändern. Sowohl den Ressourcenverbrauch als auch die Abfallmengen sind zu reduzieren. Dafür erforderlich ist ein grundlegender Wandel von der derzeit weitgehend linear geprägten Wirtschaftsweise hin zu zirkulären Wertschöpfungskollaborationen. Die Textilindustrie ist maßgeblich daran beteiligt die Umwelt und Rohstoffe rücksichtslos und konzeptlos zu verschwenden und/oder zu verschmutzen. Ihr ökologischer Fußabdruck liegt über dem, des Schiff- und Flugfahrtverkehr.
Innerhalb der Textilindustrie erfahren feine Wollen, wie Kaschmir, Merino oder Angora zunehmend Popularität. Um der Nachfrage gerecht zu werden, werden immer mehr Tiere gehalten, wodurch in beispielsweise China und der Mongolei die ohnehin kargen Weideflächen versteppen, weil die Tiere das Gras mitsamt den Wurzeln ausreißen. Die Folgen sind Kahlfraß und Bodenerosion durch den Wind. Weiter treten die klassischen negativ Szenarien der Massentierhaltung wie Tierleid, Überzüchtung und Übersäuerung der Böden durch nitrathaltige Ausscheidungen auf. Des Weiteren produzieren die großen Tierherden als Wiederkäuer bei ihrer Verdauung große Mengen an Methangas, welches 25-mal schädlicher für das Klima ist als CO2.Bei der Erzeugung von einer Tonne Rohfaser bei konventioneller Schafwolle werden allein 67 Hektar Land benötigt, dazu im Vergleich stehen 0,8 Hektar für eine Tonne regenerative Cellulosefasern und 1,3 Hektar für Baumwolle. Hier setzt YarnSustain an. YarnSustain steht für authentisch nachhaltige Materialentwicklung im Bereich der Rohstoffbeschaffung und Garnherstellung auf Basis tierischer Fasern. Das Unternehmen arbeitet mit einem hochwertigen Fasermaterial, das jährlich in mehreren hunderten Tonnen in Europa anfällt und bis dato über den Hausmüll entsorgt wird: Chiengora. Chiengora wird als die ausgekämmte Unterwolle von Hunden definiert und fällt bei der regelmäßigen Fellpflege als Nebenprodukt an. Ihre Fasereigenschaften sind vergleichbar mit anderen hochwertigen Tierhaaren wie Angora, Mohair oder Kaschmir. Chiengora ist unsere Lösung für eine hochwertige, ressourcenschonende und innereuropäisch beschaffbare Materiallösung für die deutsche Textilindustrie. Es wird kein Tier extra gehalten, um die Faser zu beschaffen. Damit ist Chienora im wahrsten Sinne des Wortes ein “nachwachsender” Rohstoff. Bei diesem Ansatz wird Abfall vermieden und es entsteht ein Upcycling zu werthaltigen Fasern zur
Verarbeitung in der Textilindustrie. In Europa, Russland mitgerechnet, werden etwas mehr als 85,18 Millionen Hunde als Haustiere gehalten. Allein in Deutschland kommen etwa 368 650 Hunde als Potentielle Rohstofflieferanten in Frage. Das ist ein Anteil von 3,65% an der Gesamtzahl der in Deutschland gehaltenen Hunde. Wird mit einer durchschnittlichen Menge von 250 Gramm Unterwolle pro Hunde pro Jahr gerechnet, liegt das zu beschaffende Rohstoffpotential in Deutschland bei 92,162 Tonnen – Tendenz steigend. Den Anteil relevanter Hunderassen von 3,65% auf einige ausgewählte Länder Europas übertragen, lässt sich schnell das Potential eines in Europa beschaffbaren, hochwertigen Faserrohstoffes aufzeigen. Das Potential der Länder Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, Polen und Russland addiert ergibt eine Menge von 500 Tonnen.
Überdies hinaus ist Chiengora eine natürliche Faser und kann so einen Teil der Chemiefasern auf synthetischer Polymerbasis substituieren, deren Faserabrieb Teil des Mikroplastikproblems darstellt.
Fotografin: Stephanie Braun
Wie ist die Idee zu Modus Intarsia entstanden ?
Die Idee entstand als Ann Cathrin ihre Mutter dabei beobachtete wie sie ihre zwei Tibet Terrier, Hunde mit viel Unterwolle, auskämmte. Sie war damals für ihren Master auf der Suche nach einer authentisch nachhaltigen Alternative für ihre Strickkollektion. Aus einem ursprünglichen Uni Projekt entstand die Idee für das Unternehmen, da Ann Cathrin das Potential des Rohstoffes bewusst wurde.
Wie würdest Du Deiner Großmutter Modus Intarsia erklären ?
Wir Sammeln die ausgekämmte Unterwolle von Hunden, die normalerweise über den Hausmüll entsorgt wird, und machen daraus Garn.
Hat sich Euer Konzept seit dem Start irgendwie verändert ?
Wir haben mit dem Vertrieb von Handstrickwolle begonnen. Im letzten Jahr haben wir intensiv Zeit in die Forschung eines Industrie Garnes gesteckt, weil wir Größer Denken wollen. Nun können wir dem Markt neben dem Handstrickgarn auch ein Industrie Garn bieten, das auf konventionellen Flachstrickmaschinen und Webmaschinen verarbeitbar ist. Das Konzept des Rohstoff Sourcings hat sich nicht verändert. Sondern wird kontinuierlich ausgebaut und professionalisiert.
Wie funktioniert Euer Geschäftsmodell ?
Auf der einen Seite bauen wir die Lieferkette für das Rohstoff Sourcing auf und koordinieren die Produktion der Garne auf Basis dieses Rohstoffes.
Das Industrie-Garn wird B2B an Modelabels vertrieben, das Handstrick Garn B2C an Endverbraucher über zwei Fachhändler und einen Online Shop.
Wie genau hat sich Modus Intarsia seit der Gründung entwickelt ?
Das Sammlernetzwerk, das die Basis des Unternehmens bildet – denn ohne Wolle kein Garn – konnte Stark ausgebaut werden. Die Forschung und Entwicklung an dem Industrie Garn konnte abgeschlossen werden und es laufen aktuell die letzten Gespräche mit potentiellen Produktionsstätten in Europa.
Wie groß ist Euer Startup inzwischen ?
Wir sind noch ganz am Anfang. Aktuell arbeiten wir, Franziska und Ann Cathrin als Gründerinnen Team Vollzeit im Unternehmen. Unterstützt werden wir von unserer Praktikantin Kira im Bereich Design und PR und unserer Teilzeit Kraft Marie, die sich um den Ausbau des Sammlernetzwerks kümmert.
Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen ?
Schief gegangen nichts, aber als Unternehmen, das von zwei Frauen geführt wird und dann auch noch etwas so Ungewöhnliches macht, muss man sich ganz schön durch die Männerdominierte Start Up Welt durchbeißen.
Was habt Ihr daraus gelernt ?
Ein „Nein“ Grundsätzlich einmal nicht zu akzeptieren. Nur weil es noch nie jemand gemacht hat, heißt das nicht, dass es nicht funktioniert.
Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht ?
Wir sind resilient geblieben. Wir haben eine klare Mission vor Augen: wir wollen eine authentisch nachhaltige Materialalternative für den textilen Markt schaffen. Und an dieser Mission arbeiten wir täglich.
Man sollte nicht Gründen, weil man Lust auf Gründen hat sondern weil man eine Mission mit Mehrwert hat.
Wie ist Euer Startup finanziert ?
Aktuell ist das Ganze gebootstraped und wir werden vom BuMi für Wirtschaft und Energie noch bis April 2021 mit dem Exist-Gründerstipendium gefördert.
Was sind Eure Pläne und Ziele für die nächsten 12 Monate ?
Im Bereich der Lieferketten Logistik wollen wir ein Kreislauffähiges Verpackungssystem implementieren, um das Crowd Sourcing der Wolle möglichst Ressourceneffizient zu gestalten.
Dann wollen wir natürlich unser Sammler Netzwerk weiter ausbauen und festigen.
Im Bereich des Vertriebs freuen wir uns natürlich dann auf die ersten Kooperationen mit Modelabels für die Saison Herbst/Winter 20/21.
Vielen Dank für das Interview.
Hallo
Ich habe seit sieben Jahren einen hundesalon und werfe das ausgekämmte oder geschorene Fell auch genau solange weg – mit stetig wachsendem schlechten Gewissen
Gerne schicke ich euch das Fell zu
Wie komme ich mit euch in Kontakt?
Lg
Eifler Glückspfoten
Rabea Steinbach